Wie wirkt sich mein Bindungsverhalten auf meine Beziehungsfähigkeit aus?
Das Bindungsverhalten eines Menschen wird grundsätzlich in der frühesten Kindheit geprägt. Sowohl durch die Genetik, als auch durch die ersten frühkindlichen Interaktionen mit primären Bezugspersonen. Es wird in unterschiedlichen Bindungstypen kategorisiert.
Diese Bindungsentwicklung ist jedoch nicht statisch. Sie kann sich im Laufe des Lebens verändern. Über die Lebensspanne führen wir viele unterschiedliche Beziehungen, die sich in der Eltern-Kind-Beziehung, in Freundschaften oder in romantischen Beziehungen zeigen können. Die Qualitäten dieser Beziehungen beeinflussen unser Beziehungsverhalten genauso mit, wie die frühe Prägung durch die primäre Bindungserfahrung.
In einer Beziehung kann vieles nachgenährt werden, das in der frühen Kindheit vielleicht zu kurz kam. Diese „Nachbeelterung“ können Kinder durch die Großeltern oder durch Erzieher:innen erfahren, wie durch andere verlässliche Erwachsene oder später durch romantische Beziehungen und Freundschaften.
Hier kannst du das Video zu “Bindung und Beziehungstypen” kurz und knackig zusammengefasst ansehen.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Beziehungsfähigkeit ist erlernbar
Bindungstyp A: unsicher vermeidend gebunden
Bindungstyp B: sicher gebunden
Bindungstyp C: unsicher ambivalent gebunden
Bindungstyp D: desorganisiert gebunden
Bindungsverhalten: Test für Erwachsene
FAQs: Bindung & Beziehung
Beziehungsfähigkeit ist erlernbar
Durch die wertschätzende Auseinandersetzung mit der eigenen Bindungsgeschichte und der eventuellen Heilung verletzter Anteile kann es gelingen, sich von einem destruktiven Bindungstypus in eine beziehungsfähige Person zu entwickeln. An dieser Stelle sei gesagt, dass alle Bindungstypen in der Lage sind Beziehungen zu führen. Es ist jedoch häufig so, dass Personen, die sich ein destruktives und toxisches Bindungsverhalten wenig ausreichend anschauen, häufig in dieselben Teufelskreise geraten. Dies führt dazu, dass der Bindungstypus und die erlernten Bewältigungsstrategien aktiviert werden.
Was das genau für die unterschiedlichen Bindungstypen bedeuten kann, und wie sich das Bindungsverhalten auf das Beziehungsverhalten auswirken kann, schauen wir uns bindungstypspezifisch an:

Bindungstyp A: unsicher vermeidend gebunden
und was charakteristisch ist für Menschen dieses Typus:
Der unsicher vermeidend gebundene Bindungstyp zeigt gegenüber anderen Menschen oft wenig bis kein Interesse und gibt sich desinteressiert am Gegenüber. Dadurch, dass Menschen dieses Typs sehr früh bereits gelernt haben, dass sie sich nicht ausreichend auf andere Menschen und primäre Beziehungspersonen verlassen können, fehlt ihnen das Vertrauen in ihr Gegenüber. Sie haben große Schwierigkeiten, emotionale Nähe zuzulassen und brauchen häufige und wiederholte Rückversicherung des Partners/der Partnerin. Beziehungstyp A kann sich nur schwer an EINE Person binden, da das Gefühl mitschwingt, man könnte es noch besser treffen. „Was, wenn es noch einen besseren Partner/eine bessere Partnerin gibt?“
Auf der Kinderebene entsteht häufig das Gefühl, dass Kinder des Bindungstyp A unabhängig sind und nur wenig Unterstützung brauchen. Diese „starken“ Persönlichkeiten lernen sehr schnell alles selbst zu regeln, da niemand kommt, um sie zu unterstützen. Dadurch kann das Narrativ „Ich muss mich um mich selbst kümmern, weil es sonst keine:r tut“, entstehen. Als Erwachsene Personen fällt es solchen Menschen oft schwer, um Hilfe zu bitten oder diese anzunehmen.
Menschen, die einen unsicher vermeidenden Beziehungsstil entwickelt haben, vertreten die Haltung, dass sie keinen Anspruch darauf haben, geliebt zu werden. Sie haben verinnerlicht, dass Liebe, Unterstützung, Wertschätzung und Respekt für sie nicht bedingungslos zur Verfügung stehen.
In Trennungssituationen wirken Typen der Beziehungskategorie A so, als würde sie die Situation kaum berühren. Sie führen ihren Alltag scheinbar unbekümmert fort und wirken eher gelöst und unbeschwert.
Wenn Beziehungstyp A in zwischenmenschlichen Beziehungen auf Ablehnung oder Zurückweisung stößt, wird der „innere Kritiker“ aktiv, der den Glaubenssatz vertritt, dass Wünsche und Bedürfnisse generell auf Ablehnung stoßen. Solche Situationen der Zurückweisung sind für diesen Bindungstypen kaum auszuhalten.

Bindungstyp B: sicher gebunden
und was charakteristisch ist für Menschen dieses Typus:
Sicher gebundene Personen haben keine Schwierigkeiten, mit anderen Menschen in Beziehung zu gehen. Dieser Typ kommt prima mit sich selbst zurecht und vertritt die Haltung: „Ich bin gut, so wie ich bin.“ Die primären Bezugspersonen konnten hier Sicherheit bieten, wodurch Bindungstyp B einen sicheren Beziehungsstil erlernen und entwickeln konnte.
In zwischenmenschlichen Beziehungen gelingt es Beziehungstyp B gut, sich an andere zu binden, da dieser Typus sich vertrauensvoll, emotional und körperlich auf ein Gegenüber einlassen kann.
In Trennungssituationen zeigt dieser Beziehungstyp Gefühle wie Trauer, Wut, Reue etc. weiß jedoch, dass das Leben auch ohne Partner:in erfüllt sein kann. Die Sicherheit, auch gut allein zurechtzukommen, hilft diesem Beziehungstyp, wenn es einmal zu Krisen und Trennungen kommt.

Bindungstyp C: unsicher ambivalent gebunden
und was charakteristisch ist für Menschen dieses Typus:
Unsicher-ambivalent gebundene Menschen zeigen ein eher ängstliches Bindungsverhalten und weisen oft eine starke Abhängigkeit in Beziehungen auf. Dieser Typus passt das eigene Verhalten sehr oft an das Verhalten des Partners/der Partnerin an.
Bindungstyp C hat die Erfahrung gemacht, dass das Verhalten der primären Bezugspersonen sehr unzuverlässig und nicht absehbar war, was zu starker Verunsicherung führen kann. Bei dieser Kategorie kommt oft das Gefühl auf nicht gut genug zu sein, egal was sie machen.
Durch die (häufig ausgeprägte) Verlustangst, die typisch für Beziehungstyp C ist, gelten Menschen dieser Kategorie oft als belastende Partner:innen. Sie haben das Gefühl, ohne Beziehung nicht glücklich sein zu können, was großen Druck beim Gegenüber erzeugen kann. Beziehungstyp C hat große Schwierigkeiten zu unterscheiden, dass mit sich selbst Zeit zu verbringen (Alleinsein) und einsam zu sein, zwei unterschiedliche Dinge sind. Typ C ist beschäftigt damit herauszufinden, was andere Menschen wollen, um das eigene Verhalten anpassen zu können. Dabei wird wenig Fokus auf die eigene Person gerichtet.
In Trennungssituationen können Beziehungstypen dieser Kategorie kaum loslassen, da sie das nie gelernt haben. Eine Trennung kann kaum akzeptiert werden und Liebeskummer wird nur sehr schwer ausgehalten. Es gelingt oft nicht in die Zukunft zu schauen und weiterzumachen.

Bindungstyp D: desorganisiert gebunden
und was charakteristisch ist für Menschen dieses Typus:
Bindungstyp D wurde erst später zu den Bindungstypen hinzugefügt. Oft gehen diesem Bindungstypen Übergriffe und Traumatisierungen voran. Menschen, die desorganisiert gebunden sind, können auf der einen Seite ein Nähe-Bedürfnis empfinden, während sie einen Partner/eine Partnerin gleichzeitig als Bedrohung wahrnehmen. Dieser Typus hat gelernt, dass Beziehung und Bedrohung von derselben Person ausgehen können.
Oft versuchen Kinder, die desorganisiert gebunden sind, ihre Eltern zu unterstützen und die Beziehung kann in eine Parentifizierung kippen – eine Beelterung der Eltern. Die Kinder übernehmen die Aufgaben und Funktionen der Erwachsenen.
Beziehungstyp D hat verinnerlicht, dass die Welt ein gefährlicher und bedrohlicher Ort ist und zeigt sich demnach sehr skeptisch und misstrauisch gegenüber anderen Personen. Vor allem in romantischen Beziehungen wechseln sich das Bedürfnis nach Nähe und Zuneigung und die Ablehnung einer potenziellen Bedrohung oft ab.
Bindungsverhalten: Test für Erwachsene
Unter den folgenden Links kannst du dich an verschiedenen Fragen orientieren, welchem Bindungs- oder Beziehungstyp du angehören könntest. Diese Schnelltests stellen gezielt Fragen, um deinen Bindungstyp zu errechnen. Die Ergebnisse können dennoch von der Realität abweichen und sind deshalb reflektiert zu überprüfen.
FAQs: Bindung & Beziehung
Welchen Einfluss hat der Bindungsstil auf Beziehungen?
Der Bindungsstil, den wir uns bereits in sehr frühen Jahren aneignen, kann einen großen Einfluss darauf ausüben, wie wir Beziehungen leben. Diese frühen Erfahrungen sind jedoch nicht statisch und können sich über die Lebensspanne verändern.
Wie beeinflusst der Bindungstyp die Beziehung?
Der Bindungstyp kann bereits ausschlaggebend dafür sein, welche Partner:innen wir uns aussuchen. Unser Verhalten in der Beziehung kann ebenfalls auf die frühkindliche Bindung zurückgeführt werden.
Wie äußert sich das Bindungsverhalten?
Die erlernten Bewältigungsstrategien und Bindungsmuster greifen, wenn wir in Beziehung gehen. Der Kontakt zu anderen animiert uns, auf das Gegenüber zu reagieren. Wenn die andere Person Signale sendet, die bei uns Irritation auslösen, so kann dies Unsicherheit erzeugen und bereits erlernte (destruktive) Verhaltensweisen können aktiviert werden.
Wie verhalten sich unsicher gebundene Menschen?
Menschen, die keine sichere Bindungserfahrung gemacht haben, reagieren ganz unterschiedliche, je nachdem, mit wem sie in Kontakt treten. Von klammerndem Verhalten, bis zum Verherrlichen oder Abwerten des Gegenübers kann sich eine unsichere Bindung in vielen diversen Facetten zeigen.
Literatur:
Grossmann, K.E./K.; (2015, 7. Auflage): Bindung und menschliche Entwicklung. John Bowlby, Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungstheorie. Stuttgart, Klett-Cotta
Seiffge-Krenke, I. (2009): Psychotherapie und Entwicklungspsychologie . Mainz und Heidelberg, Springer
Sauermoser, C. (2023): Kindliche Sexualität. Das rundumbuch für eine gesunde Entwicklung. Wie ein Tabuthema seine Natürlichkeit zurückerlangt. Innsbruck, Bayer
Goddemeier, C.; (2015): John Bowlby: Pionier der Bindungsforschung. Ärzteblatt
Sichere Bindung.info: (Quelle: Stangl, W. (2020). Stichwort: ‘Bindungstypen’. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.WWW: https://lexikon.stangl.eu/5727/bindungstypen/ (2020-02-09))